Friday, December 25, 2009

Sticheleien, die zum "Spucken" führten


Jeder kennt die Spuck-Affaire rund um den ehemaligen Bundesrichter Martin Schubarth. Dieser wollte nämlich am 11. Februar 2003 einen NZZ-Journalisten (Markus Felber) anspucken, traff aber dabei versehentlich einen Gerichtsschreiber.

Offensichtlich muss also das Ziel der Spucke, Herr Markus Felber von der NZZ, den Magistraten zünftig geärgert haben, so dass dieser beim Zerplatzen einer sich über Jahre hin anbrodelnden Gemütserregung seine Mundflüssigkeiten nicht mehr unter Kontrolle halten konnte. Über den Inhalt der folgenreichen Kritik seitens der NZZ jedoch schweigen sowohl die Wikipedia als auch die Artikel der NZZ selbst rund um den Rücktritt Schubarths im Jahr 2003 bzw. Januar 2004.

Eine Recherche im NZZ-Archiv bringt Licht in die Sache - wobei ich der Ehrlichkeit halber anmerken muss, dass ich natürlich nicht weiss, welche der nachfolgend zitierten Artikel tatsächlich von Schubarth während seiner Amtszeit in Lausanne gelesen worden sind, geschweige denn, welche davon konkret seine Wut geschürt haben.

In der NZZ vom 17. Juni 2000 regt sich Felber darüber auf, dass in einem veröffentlichten Strafurteil des Bundesgerichts die Namen der Verurteilten zensiert wurden. Die Schuld wird dem Vorsitzenden des Kassationshofs, nämlich Schubarth höchstpersönlich, in die Schuhe geschoben: Das Verfahren, die Namen zu zensieren sei "unverständlich wie untauglich", denn die Journalisten würden die Namen ja sowieso herausfinden, schreibt Felber aufmüpfig.

Felber schreibt weiter, der Versuch des Bundesgerichts, die Identität der Verurteilten zu vertuschen, sei deshalb zu bemängeln, weil diese es mehr als verdient hätten, dass alle Öffentlichkeit über ihre Sünden aufgeklärt würde - zumal mindestens dann, wenn ihre Schuld höchstrichterlich und damit endgültig bestätigt worden sei. Der Grund für den redaktionellen Missgriff des Bundesgerichts sei keine Boshaftigkeit, sondern
"ungesunder Menschenverstand und ein Defizit an liberalem Denken".

In der NZZ vom 11. Dezember 2000 wehklagte Felber nochmals über dasselbe Problem der Anonymisierung der Urteile, diesmal jedoch direkt adressiert an den Vorsitzenden Martin Schubarth, auf dessen Weisung diese abwägige Handhabung der Urteilsredaktion vorgenommen wurde.

Es ging um einen Entscheid des Bundesgerichtes in Sachen Geldwäscherei. Der geschickte Vermögensverwalter Josef Oberholzer der SBG vermehrte die ursprünglich 47 Millionen Dollar, die aus dem Handel mit Cannabis und Kokain stammten, im Verlaufe von 15 Jahren auf rund 150 Millionen Dollar. Die Anklage lautete auf Geldwäscherei doch darüber wurde bis vor das höchste Gericht gestritten!

Die Tatsache, dass der arme Felber den Namen des vermeintlichen Geldwäschers (also eben Josef Oberholzer) schon wieder in mühsamer Recherche selber herausfinden musste, weil das Gericht ihn im Urteil nicht nennen wollte (Schubarth sei Dank!), bezeichnete der Journalist als "unverständlich, bedauerlich und gefährlich."

In der NZZ vom 8. Juni 2001 wird erneut ein Urteil des Kassationshofs unter dem Präsidium Schubarths scharf kritisiert, allerdings wurde der Artikel nicht von Felber verfasst, sondern von Peter Studer. Ob Letzterer bei Besuchen an der Avenue du Tribunal-Fédéral in Lausanne wohl auch lieber achtsam durch die Gänge gewandelt ist, um nicht Opfer einer heranfliegenden Spucke zu werden, sei mal dahin gestellt.

Das als von Studer als "höchst befremdlich" bezeichnete Urteil betraff die Bestätigung einer vom Zürcher Obergericht ausgesprochenen Busse gegen einen Journalisten des Blicks wegen "Anstiftung zu Verletzung des Amtsgeheimnisses". Darüber ärgerte sich Studer ganz gewaltig und liess seinem Ärger auch freien Lauf, indem er (mal wieder) einen bösen Artikel gegen den Bundesrichter Schubarth los feuerte, der eine Berufung ans Bundesgericht des Verurteilten gegen das Urteil des Obergerichts abblitzen liess.

Schubarth wollte diese Kritik, die übrigens nicht nur von der NZZ laut geworden war, nicht einfach so auf sich sitzen, wie sich am 16. November 2001 herausstellte. Er warf seinen Kontrahenden aus der Presse vor, aus ihrem juristischem Unverstand heraus den Sachverhalt sowie die Urteilsbegründung verkürzt darzustellen!

Im Jahr 2002 wehrt sich Schubarth weiter persönlich gegen die oben dargestellten Angriffe auf seine richterliche Tätigkeit im Zusammenhang mit der Anonymisierung von Urteilen mit einem Artikel, der die NZZ am 11. Mai 2002 veröffentlichte.

Er schliesst dabei mit dem Satz "Man wünschte sich, abweichend von sich häufenden journalistischen Entgleisungen, eine sachliche Diskussion, die stets den Respekt vor der Institution [nämlich dem Bundesgericht] wahrt, die letztlich der Garant von Persönlichkeitsschutz und Pressefreiheit ist. "

Damit wollte also der damalige Bundesrichter öffentlich klarstellen, dass die "vierte Gewalt" im Staate sich mit Respekt gegenüber den anderen drei Gewalten, vorliegend der Judikative, zu benehmen habe. Dass der effektive und viel schlimmere Bruch mit dem Gebot des respektvollen Handelns dann später genau von demjenigen getätigt wird, der sich neun Monate zuvor noch auf genau dieses Gebot berufen hat, war damals natürlich Martin Schubarth noch nicht bekannt, da er sein Vorhaben, den fiesen Felber anzuspucken, wohl kaum zur langen Hand geplant hatte!

Was aber schon damals der Öffentlichkeit bekannt war, sind "Schwierigkeiten im zwischenmenschlichen Bereich" der sich auf Respekt berufenden Autoritätsperson Schubarths.

Seit seiner Wahl als Bundesrichter im Jahr 1982 war SP-Mitglied Schubarth nämlich nie unbestritten. Er wurde daher auch als "eigenwilliger und eigensinniger" Typ bezeichnet. Der Vertrauensmann Schubarths, FDP-Ständerat Rolf Schweiger, erlebte den Bundesrichter als "kantige Persönlichkeit, die mit Leib und Seele Jurist ist".

Eigentlich kennen wir doch alle auch ein anderes, ehemaliges Mitglied einer der vier Gewalten im Bundesstaate, welches durch seine "kantige" Persönlichkeit sich einen Namen verschaffte, und welches ebenfalls einer Partei angehört(e), die sich nicht gerade doch eine "gemässigte Politik der Mitte" auszeichnet.
Doch seien Parallelen zwischen den zwei Persönlichkeiten "Blocher" und "Schubarth" an dieser Stelle mangels hinreichender Sachkenntnisse von mir aussen vor gelassen. Erstens bin ich kein Psychologe, zweitens kenne ich die Sachverhalte nur aus zweiter Hand (v.a. aus den Medien), und drittens hat sich Blocher zwar gemäss Aussagen seiner Kontrahenden ohne Respekt verhalten, ist jedoch nie einer derart offensichtliche Verfehlung wie des "spuckens" erlegen.