Sunday, September 30, 2007

Militär und Religion

Während dem WK fasste ich den Auftrag des Bat Kdt, das Buch "Gemeinsam zum Ziel" (von Ulrich Zwygart u.a. Autoren) zusammenzufassen. Das letzte Kapitel dieser Zusammenfassung stellt meine persönliche Meinung dar und wird hier publiziert:

Als Sohn eines Pfarrers und Feldpredigers wage ich es, dem roten Buch, welches ich nun detailiert und eindringlich „durchgeackert“ habe, starke Züge und Tendenzen von Religiosität zuzusprechen – oder etwas spitzer formuliert: Zu unterstellen! Ganz bewusst verzichte ich bei diesem Vergleich zwischen „Glauben an Gott“ und „Glauben an Krieg“ auf jegliche Art von politischer, ethischer oder verstandesmässiger Korrektheit.
Drei Elemente sollen mein Vergleich etwas konkreter darstellen:
1. Gott bzw. seine Nichtexistenz lassen sich nicht mit letzter Sicherheit beweisen, die Möglichkeit eines Zweifrontenkriegs in Europa bzw. sein Ausbleiben ebenfalls nicht!
2. Sowohl die Armee als auch die Kirche bringt ihre Mitglieder dazu, Dinge zu tun, die „an sich“ betrachtet völlig sinnlos erscheinen. Nehmen wir z.B. die Zugschule oder das Abendmal. Erst durch den ideologischen Hintergrund, erhalten solche Tätigkeiten ihre Daseinsberechtigung und ihren tieferen, inneren Sinn.
3. Beide Sphären wollen Einfluss auf die Jugend nehmen, beklagen den „Werteverlust“ in der Gesellschaft und setzen sich für das Gute, das Edle und die Selbstopferung ein. Sie wollen prägen, erziehen und fordern – für ein gemeinsames Ziel.
Den Autoren liegt es ganz offenkundig am Herzen, die Armee zu einem besseren und menschlicheren Ort zu machen. Dies begeistert und reisst mit! Trotzdem muss man sich im klaren darüber sein, dass dieses Buch aus der Optik der „Glaubenden“ ihre Sicht auf die Realität darstellt. Während Herr Zwiegart die Wahrscheinlichkeit eines Panzergemetzels innerhalb Europas als „mittelfristig eher unwahrschinlich“ einschätzt (S. 19), schreiben beispielsweise Herr Krummenacher und Herr Götscher* in der NZZ vom 26.05.2007 auf S. 20, Angriffe feindlicher Staaten seien während der nächsten 100 Jahre nicht zu befürchten (auch wenn an Clausewitz orientierte Militärnostalgiker diese Meinung nicht teilen, schreiben die Wissenschaftler weiter).
Wenn Sie jetzt neugierig sind, wer denn die zitierten Sätze verfasst hat, haben Sie offensichtlich das innere Bedürfnis zu erfahren, welcher Glaubensrichtung diese Wissenschafter denn nun angehören. Die Antwort lautet: Der Stiftung Swisspeace. (Dr. Heinz Krummenacher war zwischen 1985 und 1989 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Zentralstelle für Gesamtverteidigung und an der Forschungsstelle für Sicherheitspolitik der ETHZ. Prof. Dr. Laurent Goetschel unterrichtet Politikwissenschaft am Europainstitut der Universität Basel und war persönlicher Berater von Aussenministerin Micheline Calmy-Rey.)
Mir ist klar, dass an der „Front“ nicht die Gesetze der Vernunft oder der rationalen Skepsis zählen, sondern die Macht des Faktischen, das Charisma der Hirten und die Dynamik der Herde.
Ist dies zu begrüssen oder nicht? Es kommt drauf an! Wenn der Einfluss des Buches, „gemeinsam zum Ziel“ es tatsächlich schafft, die Motivation von jungen Rekruten zu steigern, Bevormundung, Mobbing und Gewalt im Militäralltag zu mindern, Teamgeist zu fördern und positive Erlebnisse zu schaffen, tritt die politische Sinnfrage aus dem ersten Kapitel im Alltag natürlich in den Hintergrund. Man sollte sich jedoch der Ehrlichkeit halber im Hinterkopf behalten, dass der Spassfaktor eines AdAs an seiner Arbeit weitgehend proportional zur Höhe seines Rangs ist. Und wie ein Gespenst wird die Sinnfrage durch die Köpfe schweben. In diesem Sinne und Geiste wünsche auch ich Ihnen für ihre militärische Zukunft:
Möge die Wertschätzung von Seiten der Vorgesetzten und der Truppe Ihnen innere Befriedigung geben und Sie zu weiteren Anstrengungen anspornen.

Amen.